Rom – Die ewige Stadt

Was wäre Rom nur ohne die Römer?


Rom begeistert und fasziniert mit seiner facettenreichen Geschichte.

 

753 kroch Rom aus dem Ei. – 753 v. Chr. ist laut einer Sage die Geburtsstunde dieser wundervollen Stadt, gegründet von den Zwillingsbrüdern Romulus und Remus, welche von einer Wölfin großgezogen wurden, nachdem sie in einem Erbschaftsstreit am Tiber ausgesetzt worden waren. Im frühen Erwachsenenalter bahnte sich ein Streit zwischen den beiden Brüdern an, welcher für Remus tödlich endete. Romulus tötete tatsächlich seinen Zwillingsbruder und gründete wenig später die Stadt Rom. 

 

Glaubt ihr nicht?

 

 Dann habe ich eine weitere Geschichte über die Gründung Roms für euch, eine Geschichte über den Raub von Frauen. 

Romulus und Remus
Foto: Raffaela Breit

Laut einer Sage behandelten die Römer ihre Frauen so schlecht, dass sie das Weite suchten. Verzweifelt suchten die römischen Männer nach Frauen – doch leider erfolglos.

 

Dann beobachteten sie einige Frauen aus dem benachbarten Ort der Sabiner. Die Frauen der Sabiner waren jung und wunderschön. Von Neid gepackt heckten die Römer einen Plan aus. – Sie veranstalteten ein großes Fest und luden alle Männer der Sabiner ein. Die Frauen jedoch wurden ausdrücklichst nicht dazu eingeladen.

 

Es war ein sehr opulentes Fest. Der Wein floss in Strömen. Als alle Männer der Sabiner von Trunk und vom Feiern nahezu bewusstlos schliefen, schlichen sich die Römer ins Dorf der Sabiner und nahmen deren Frauen mit.

 

Als die Sabiner am nächsten Tag erwachten und zu ihren Frauen zurückkehren wollten, waren diese verschwunden. Aus dem Dorf der Römer hörten sie Frauenstimmen. Rachsüchtig packten sie ihre Waffen und machten sich auf zu den Römern, um ihre Frauen zu befreien.

 

Vor der Stadt angekommen, standen dort ihre Frauen mit verschränkten Armen und weigerten sich mitzukommen, denn die Römer seien gute Männer und sie wollten bleiben. Niedergeschlagen zogen sich die Sabiner zurück. Mit Frauen stand der Gründung der Ewigen Stadt Rom nichts mehr im Wege.

 

Welche der beiden Geschichten über die Gründung Roms ihr nun glaubt, bleibt euch überlassen. Nun aber möchte ich euch MEINE Geschichte über Rom und die Römer erzählen.

 

Während meines Studiums erfüllte ich mir einen Traum: Ich buchte einen Romaufenthalt mit dem Besuch einer Sprachschule. Hier eignete ich mir die Basics in meiner Lieblingssprache an, und zwar in Italienisch.  Ein Jahr zuvor hatte ich mit zwei Freundinnen Rom besucht. Ganz ehrlich, diese Stadt hat mich von Anfang an verzaubert. Ich wusste damals, dass dies bestimmt nicht mein letzter Romaufenthalt sein würde. Nachdem ich etwas Geld gespart hatte, war es so weit: Ich konnte den Sprachkurs in Rom belegen. 

 

Ich lernte viele neue Freunde aus der ganzen Welt kennen, welche die gleiche Begeisterung für Italien und die italienische Sprache empfanden wie ich.

 

Ich liebe es, neue und internationale Leute kennen zu lernen. Meine Wohngemeinschaft war ebenfalls sehr international. Ich wohnte mit vier anderen Studentinnen zusammen, sie kamen aus Kolumbien, Japan, Frankreich und Österreich. Wir hatten sehr viel Spaß zusammen und unternahmen viel gemeinsam. Jeden Tag erkundeten wir die Stadt und entdeckten neue, schöne und interessante Plätze.

 

Eines Abends machte ich gerade mit Alejandra, meiner Mitbewohnerin aus Kolumbien, einen nächtlichen Spaziergang. Wir hatte keine Klimaanlage in unserer Wohnung und mieden diese an den heißen Augusttagen, sooft wie es nur ging. Ebenfalls tat es gut, nicht immer nur schwitzend in der glühenden Hitze, welche den Asphalt tagsüber in eine brennende Betonwüste verwandelte, unterwegs zu sein – ohne den ganzen Lärm. Alejandra und ich liebten unsere Nachtspaziergänge.

 

Mit ihr verstand ich mich besonders gut, wir konnten stundenlang über Gott und die Welt reden. Einer unserer Lieblingsplätze war die Mauer an der kleinen Anhöhe, gleich gegenüber dem imposanten Kolosseum. Nachts und beleuchtet wirkte alles noch anmutiger als bei Tageslicht.

 

Wir verweilten oft auf dieser Mauer. Manchmal waren die Steine noch angenehm warm von der Sonne. Allerdings musste man aufpassen, welche Stelle man als Sitzplatz auswählte, denn diese Mauer war nicht mehr die stabilste. Nichtsdestotrotz hatten wir hier schon eine geeignete Stelle gefunden. Hier fuhren nachts auch kaum Autos vorbei und zu späteren Stunden gab es auch keine Touristen mehr, die ein nächtliches Foto vom Kolosseum erhaschten wollten. Das eine oder andere Gläschen Wein oder einen Limoncello tranken wir hier gern.

 

Ich stellte mir oft vor, wie die Gladiatorenkämpfe sich wohl zugetragen haben könnten. In diesem Amphitheater hatten ungefähr 50 000 Leute Platz ... Die durchtrainierten Gladiatoren wurden von der tosenden Menschenmenge und den kreischenden Frauen empfangen.  So mancher Gladiator erlangte durch seinen Mut und seine Tapferkeit Ruhm und Reichtum … und auch viele Frauen lagen ihnen regelrecht zu Füßen. Teilweise wurden sogar verheiratete Frauen.

 

Alle möglichen antiken Geschichten und Heldensagen wurden im Kolosseum nachgestellt. Es konnte sogar mit Wasser geflutet werden, um Seeschlachten nachzustellen. Der Eintritt war frei und somit war es Treffpunkt von Menschen aller Schichten. Diese grausamen Spiele waren neben Thermen, Theater, Wagenrennen eine beliebte Unterhaltungsmöglichkeit im alten Rom.

 

Wie viele tausend Menschenleben und Tierleben hatten diese Spektakel wohl gefordert? Bei dem Gedanken daran, verlor das Kolosseum plötzlich seine Anmut und ich spürte, wie Bestürzung und Trauer in mir hochkamen. 

 

Kolosseum in Rom
Foto: Raffaela Breit

 

Plötzlich stupste mich Alejandra von der Seite an und meinte: „Ich möchte ein Foto von dir machen. Gib mir bitte deine Kamera!“ Ich willigte ein und reichte ihr meine Kamera und das Stativ. – Damit sollte sie eine Zeit lang beschäftigt sein. Bis sie alles aufgebaut und die richtigen Einstellungen für Nachtaufnahmen gemacht hatte, konnte ich meinen Gedanken nachhängen.

 

Ich legte mich hin, schloss meine Augen und genoss den lauwarmen steinernen Untergrund. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr.  Oh, es war schon halb zwei!

 

Alejandra war noch immer beschäftigt, die richtige Einstellung an der Kamera zu finden. Ich beobachtete sie von der anderen Seite der Straße aus und musste bei ihrem angestrengten Gesichtsausdruck, welcher an eine Grimasse erinnerte, schmunzeln.

 

Auf einmal hörte ich ein „Ciao“ neben mir. Ich zuckte erschrocken zusammen.

 

Ein Typ, ungefähr in meinem Alter, stand neben mir und grinste mich breit an. Auf Italienisch meinte er, ob es mir in der Wohnung zu heiß sei, weil ich hier im Freien schlafen würde. Das war die Wahrheit. – Woher er das nur wusste? Ich nickte. 

 

Er reichte mir die Hand und zog mich hoch, sodass ich nun auf aufrecht auf der Mauer saß, und nun stellte er sich vor. – „Roberto“.

 

Ich stellte mich ebenfalls vor und so kamen wir ins Gespräch. Roberto dachte zuerst, dass ich wegen meines Namens Italienerin sei, er wunderte sich nur ein klein wenig über meinen Akzent. Nach einem kurzen Smalltalk stellten wir fest, dass wir sogar einen gemeinsamen Freund in Wien haben. Die Welt ist wirklich klein. Vor einigen Jahren lernte ich über ein Sprachenforum einen Italiener namens Daniele aus Rom kennen. Von Zeit zu Zeit treffen wir uns und trinken gemeinsam einen Cappuccino.

 

Auf jeden Fall erfuhr ich hier, dass Daniele und Roberto gute Freunde sind. Roberto war mir sofort sympathisch. Mir kam mir es vor, als würden wir uns bereits eine Stunde unterhalten, als plötzlich Alejandra mit einem fetten Grinsen im Gesicht neben mir stand. In Wirklichkeiten hatte die Unterhaltung wahrscheinlich nicht mal 10 Minuten gedauert.

 

„Ich möchte nur ungern stören, aber es ist schon fast 2 Uhr und wir müssen morgen um 9 Uhr in der Sprachschule sein!“, sagte meine Begleiterin.

„Oh, wirklich schon 2 Uhr! – Allerhöchste Zeit, nachhause zu fahren“.  Als ich mich von Roberto verabschieden wollte, fragte er nach meiner Nummer.  Ein kurzer fragender Blick zu Alejandra reichte aus, um ihm meine Nummer zu geben.

 

Das liebte ich an ihr … wir verstanden uns, ohne zu kommunizieren. Wir brauchten uns nur anzusehen, um zu wissen, was die andere gerade fühlte.

 

Wir verabschiedeten und herzlich von Roberto und schon fuhr er mit seinem Motorrad los.

 

Alejandra meinte: „Der sieht gut aus, nicht wahr? Ich meinte nur: „Ja schon, aber den sehe nie wieder und in einem Monat bin ich nicht mal mehr in Rom.“

 

Alejandra: „Wer weiß das schon! ... Lass dich einfach überraschen!“ 

 

Ich mochte ihre leichte und lockere Art. Sie war solch ein lebensfroher Mensch. Von ihrer ausstrahlenden Lebensfreude könnte ich an manchen Tagen ruhig etwas abbekommen. In der ganzen Zeit in Rom hatte ich sie nie schlecht gelaunt erlebt. Sicher hatte sie auch Sorgen, Probleme und Zweifel, aber sie hatte stets eine positive Sichtweise auf die Dinge.

 

Als ich zuhause in meinem Bett lag, erschien eine neue WhatsApp-Nachricht auf meinem Handydisplay – es war Roberto.

 

„HEY! Ich habe nächstes Wochenende frei und muss endlich mal nicht arbeiten. Ich würde mich freuen, wenn ich dir einen Cappuccino spendieren und dir ein bisschen die Stadt zeigen könnte.“

 

Roberto war Medizinstudent und machte gerade ein Praktikum in einem Krankenhaus, er musste meistens am Wochenende arbeiten.

 

Ich entschloss mich, noch nicht sofort zu antworten und erstmal eine Nacht darüber zu schlafen.

 

Als ich meinen Mitbewohnerinnen beim Frühstück von Robertos Nachricht berichtete, versuchten sie, wie erwartet, mich mit vereinten Kräften von einem Treffen mit ihm zu überzeugen.

 

Nach dem Italienischunterricht beschloss ich, Roberto schließlich zu antworten.

 

„Ciao Roberto! Sehr gerne, klingt gut.“

 

Nicht mal eine Minute später hatte ich eine Antwort.

 

„Das freut mich. Treffen wir uns morgen um 10 Uhr beim Hauptbahnhof?“

 

„Geht klar. Bis morgen!“

 

Punkt 8 Uhr klingelte es. Ich drückte meinen Handywecker ab – es war Samstagmorgen. Ich wollte noch 10 Minuten länger schlafen …

 

Als ich erwachte und auf meine Handyuhr blickte, erschrak ich. Oh Gott! 9:10! In 50 Minuten sollte ich beim Hauptbahnhof sein. Der Hauptbahnhof lag ca. 30 Minuten von unserer Unterkunft entfernt.

 

Ich sprang auf und hastete in Richtung Bad. Doch die Tür war versperrt, die Dusche lief. Das gibt’s doch nicht!

 

Ok, bleib ruhig, Raffaela! Dann verspätest du dich eben um 10 Minuten und vermutlich ist er auch nicht pünktlich. Das Erste, was wir in der Sprachschule gelernt haben, war, dass es in Rom ganz normal ist, sich bis zu einer Stunde zu verspäten. Trotzdem fühlte ich mich innerlich gestresst.

 

Schnell einen Kaffee und ein Croissant und dann würde das Bad hoffentlich frei sein. – Falsch gedacht! 10 Minuten später war das Bad noch immer nicht frei und die Dusche lief und lief.

 

Ich klopfe an: „Hallo?? Es tut mir leid, aber ich muss gaaaaanz dringend ins Bad.“

 

„Raffaela, bist du das?“, hörte ich die dumpfe Stimme meiner französischen Mitbewohnerin.

 

„Ich bin in 5 Minuten fertig!“

 

Mit jedem Blick auf die Uhr wurde ich nervöser und unruhiger und ich warf nahezu jede Minute einen Blick auf die Uhr. Ich konnte mich unmöglich so verschwitzt, wie ich gerade war, mit Roberto treffen. Die heißen Nächte ohne Klimaanlage waren fast unerträglich und eine Dusche am Morgen war unerlässlich. Alejandra hingegen hatte ihre eigenen Wege gefunden, um mit der nächtlichen Hitze klarzukommen – sie schlief jede Nacht auf dem kühlen Fliesenboden. Mir wäre das zu ungemütlich.

 

9:20 – ENDLICH war das Bad frei! Ich sprang schnell unter die Dusche. Leider konnte ich wegen des Stresses die Erfrischung nicht wirklich genießen.

 

Zeit fürs Haareföhnen blieb mir nicht – nur noch ein schnelles Makeup, sommerliches Outfit, einen Flechtzopf und meine grünen Ohrringe aus Venedig – und es konnte losgehen.

 

Bei der U-Bahnstation angekommen, sagte die Anzeige, dass der nächste Zug in 5 Minuten kommen solle.

 

Im Endeffekt wartete ich 20 Minuten. Das ist für römische Verhältnisse eigentlich sogar wenig. Oftmals musste ich fast 40 Minuten auf die U-Bahn warten und ich kam dann zu spät in die Sprachschule.

 

Mit 30 Minuten Verspätung traf ich endlich am Hauptbahnhof ein. Roberto wartete bereits am vereinbarten Treffpunkt.

 

Wir begrüßten uns mit einer Umarmung. Ich entschuldigte mich tausend Mal für meine Verspätung, aber er lächelte nur und meinte, ich solle mir keinen Kopf darüber zerbrechen.

 

„Was wollen wir machen, Roberto?“

 

„Ich kenne einen guten und kühlen Platz mit einer tollen Aussicht. Hast du auch ein wenig Hunger?“

 

„Ähm ja. Hört sich gut an.“

 

„Dann lass uns losspazieren.“ 

 

Ich genoss die Unterhaltungen mit Roberto. Er hatte einen ähnlichen Humor wie ich und deshalb fiel es uns leicht, Gesprächsthemen zu finden.

 

Trotz unserer Unterhaltungen behielt ich meine Umgebung im Auge. Die Gegend in der Nähe des Hauptbahnhofs ist nicht gerade die schönste. Vormittags ist noch alles halbwegs sauber, aber nachmittags oder abends kann es schon passieren, dass man sich den Weg durch Müll bannen muss. Nicht gerade angenehm, wenn man offene Sommerschuhe trug.

 

Wir entfernten uns allmählich vom Bahnhof und spazierten Richtung Zentrum. Hier waren die Straßen und Gehsteige deutlich sauberer und es gab auch mehr Touristen. Viel Verkehr und Lärm gab es jedoch überall. Ich glaube, es gibt kaum ein stilles Plätzchen in Rom – und sei es noch so eine kleine Gasse. Alles ist belebt und laut – aber gerade das liebe ich an Rom. Man fühlt sich dadurch nie allein.

 

Viele Leute würde dieses Chaos und der Lärm stören. Ich jedoch genieße es, es gibt immer etwas Interessantes zu schauen.

 

Es gibt nicht nur was zu schauen, man muss auch schauen! Roberto und ich waren gerade an einer Ampel angelangt, welche auf Grün umschaltete. Vertieft in unser Gespräch, setzte ich automatisch einen Fuß auf die Straße. Roberto musste mich am Arm zurückziehen, denn Ampeln scheinen die Römer wohl nicht so genau zu nehmen. Ich wusste das, nur in dem Moment war ich komplett in das Gespräch vertieft gewesen und hatte das total vergessen.

 

Der kurze Schock war schnell vergessen, als wir durch eine kleine Gasse spazierten, welche nur für Fußgänger ausgelegt war. Links und rechts gab es kleine Restaurants, welche mit einem Blätterdach vor der stechenden Hitze geschützt waren. Selbst über den Gassen waren Fäden gespannt, um welche sich Pflanzen rankten und für Abkühlung sorgten. Die Fensterbänke der Häuser waren mit Blumen in allen erdenklichen Farben geschmückt. Aus einigen Restaurants und Bars nahm ich den intensiven Geruch von Kaffee wahr.

 

 

Antikes Rom
Foto: Raffaela Breit

Am Ende der Gasse waren wir wieder der prallen Hitze ausgesetzt.

 

„Bald sind wir da“, sagte Roberto.

 

Plötzlich standen wir oberhalb der Spanischen Treppe. Ich war schon oft hier gewesen, aber diese kleinen Gassen hatte ich zuvor noch nie entdeckt. Wie erwartet war der Andrang von Menschenmassen enorm.

 

„Die Spanische Treppe kennst du schon, oder?“

 

„Ja, sie ist schön.“

 

„Dann komm mal mit, ich zeige dir etwas.“ 

 

Nach ca. 5 Minuten zu Fuß kamen wir bei einer Rooftopbar an, welche ebenfalls von einem Blätterdach mit duftenden Blüten überdacht war. Wir hatten einen tollen Blick über Rom. Ich liebe einfach das Flair italienischer Städte. Mal „überhalb“ der Stadt und dem ganzen bunten Treiben zu sein gab mir ein Gefühl von Leichtigkeit.

 

Als dann doch einige Sonnenstrahlen durch das Blätterdach drangen, bemerkte ich, welch schöne Augen Roberto eigentlich hatte. Sie waren dunkelblau – wie ein tiefer Ozean. Roberto hatte die Haare sehr kurz geschnitten – fast schon zu einer Glatze – vermutlich, weil sie vorne schon sehr wenig waren. Dennoch sah er mit diesem Haarschnitt extrem gut aus. Es passte einfach zu seinem Typ – stylisch war er auch gekleidet. Kaum ein Mann hat so ein gutes Auge dafür, was zusammenpasst und was nicht. Schon beim ersten Zusammentreffen wirkte er sehr stylisch auf mich, nicht übertrieben – trotzdem männlich. Und seine Hände – sie waren sehr gepflegt. Ich glaube, Roberto legte großen Wert auf sein Aussehen.

 

„Du hast schöne Augen. Grüne Augen sind sehr selten, sie passen sehr gut zu deinen dunklen Haaren.“

 

 „Oh! Danke!“ 

 

Ein Kompliment hatte ich jetzt nicht erwartet. Manchmal dachte ich echt, Roberto konnte meine Gedanken lesen. Oder hatte er einfach bemerkt, wie fixiert ich auf seine schönen Augen starrte? Ich hoffte nicht. Aber egal, ich genoss einfach die Zeit mit ihm.

 

Über den Dächern von Rom
Foto: Raffaela Breit

Nachdem wir zwei cremige Vanillegranita und ein Cornetto (Croissant) gegessen hatten, fragte mich Roberto, ob ich gerne Fisch esse.

 

„JA!“

 

Hast du Lust auf einen kleinen Ausflug ans Meer? Dort schmeckt der Fisch besser als in der Stadt.“

 

„Ähm. Ja, aber wie!“

 

Roberto grinste.

 

„Sag jetzt nicht mit deinem Motorrad?!?!“

 

„Nur, wenn du möchtest.“

 

„Ja, warum nicht?“

 

„Sehr gut, denn mein Auto ist derzeit in der Werkstatt. Mein Motorrad ist gleich hier in der Nähe geparkt. Ich habe gehofft, dass du mitfährst.“

 

Oh mein Gott, worauf habe ich mich hier denn eingelassen? Mit einem Typen ans Meer, den ich erst seit wenigen Stunde kenne? Was soll´s? – Roberto schien wirklich ok zu sein. Das hatte mir auch mein italienischer Freund aus Wien versichert. Also ließ ich mich auf dieses Abenteuer ein.

 

Erst als ich tatsächlich auf dem Motorrad saß, wurde mir bewusst, was ich da eigentlich tat. Der Verkehr in Rom war schrecklich.

 

 Augen zu und durch. Die Fahrt verlief ruhiger als erwartet. 

 

Nachdem wir in Ostia Lido angekommen waren, gingen wir erst mal ans Meer, um die Füße abzukühlen. Der Strand in Ostia ist aus schwarzem Sand und erinnerte mich ein wenig an Jesolo – Hotelhochburgen und breiter Sandstrand.

 

Dort aßen wir in einem kleinen Restaurant direkt am Strand. Ich bestellte Pasta mit Frutti di Mare. Die Portion war riesig, fast für 3 Person. Umso überraschter war ich, als ich problemlos die ganze Portion runterfutterte. Ich war wirklich schon sehr hungrig gewesen. So eine leckere Pasta habe ich übrigens in meinem ganzen Leben noch nie gegessen. 

 

Oder lag es vielleicht daran, dass der ganze Tag für mich perfekt schien?!?!

 

Nach dem Essen fuhren wir wieder in die Stadt zurück. Auf halber Strecke überraschte uns ein Gewitter. Es schüttete wie aus Kübeln. Während meiner Zeit in Rom hatte es kaum geregnet und ich hätte mich immer über Abkühlung gefreut, aber jetzt war definitiv nicht der optimale Zeitpunkt dafür. Zum Glück war es nicht kalt – und als wir wieder in Rom ankamen, schien auch wieder die Sonne. 

 

Als wir bei einer Kreuzung standen, fragte mich Roberto, ob ich noch ein bisschen Zeit hätte, denn er wolle mir noch etwas zeigen.

 

Ich nickte und schon waren wir wieder unterwegs. Ich fühlte mich sehr sicher, obwohl die Straßen schon etwas chaotisch waren.

 

Schließlich hielten wir an einem wunderschönen Aussichtspunkt an. Gianicolo – das ist einer der höchsten Hügel in Rom, welcher sich über das Stadtteil Trastevere erstreckt. 

 

Es wirkte wie eine Terrasse über Rom. Ich hatte den Eindruck, man konnte nahezu die ganze Stadt von hier oben sehen. Wir saßen auf den warmen Steinen der Terrasse und genossen den Ausblick. Roberto nannte mir alle Kirchen und sehenswerten Gebäude in Rom, welche man von hier aus erblicken konnte.

 

Es war nicht mehr so heiß wie am Nachmittag und ein warmer, sanfter Wind trocknete nach und nach meine durchnässte Kleidung. Ich öffnete meinen Zopf, strich mir mit den Händen durch die Haare und spürte, wie ein Windstoß auch die letzten Strähnen trocknen ließ. 

 

„Das steht dir sehr gut. Du bist wirklich sehr hübsch. Du siehst fast aus wie eine Italienerin, nur mit einem sehr süßen Akzent.“

 

Dabei stupste er mir mit seinem Finger auf die Nase.

 

Dann legte er seinen Kopf auf meine Schulter und wir betrachteten die untergehende Sonne über Rom. Das war der einzige Moment, in dem wir nicht redeten. Wir waren einfach da – gemeinsam – und genossen diesen wunderbaren Moment.

 

Der Himmel war anfangs gelb und färbte sich allmählich orange – und dann in ein feuriges Rot. Nach dem Gewitter war der Himmel noch etwas bewölkt und die Wolken nahmen ebenfalls Farbe an. Der Himmel schien richtig zu brennen. In manchen Fenstern spiegelte sich dieses magische Schauspiel. Die Dächer der Häuser schienen ebenfalls zu glühen.

 

Als ich dachte, es könnte nicht mehr schöner werden, färbten sich die Wolken in ein zartes Lila und wurden immer dunkler und dunkler. In der Ferne konnten wir das dumpfe Grollen eines Donners hören. Wir ließen uns aber dadurch den Moment nicht vermiesen und betrachteten das Schauspiel, bis die Sonne komplett über einem der Sieben Hügel untergegangen war.

 

 

Rom in der Nacht
Foto: Raffaela Breit

„Hast du noch Lust auf ein bisschen Sightseeing?“

 

„Jetzt noch?“

 

„Ja. Du stehst doch auf Antike und so. Ich kenne da etwas, was dir sicher gefällt.“

 

„Ich bin gespannt, Roberto.“

 

Wir fuhren eine Zeit lang durch die Stadt. Die Straße roch noch nach frischem Regen und Dunst stieg auf. Wir fuhren durch die ganze Stadt an fast allen wichtigen Sehenswürdigkeiten vorbei. Nachts wirkte Rom noch viel schöner als bei Tag. Alles schien so rein und sauber. Ich genoss diese „Sightseeingfahrt“ wirklich sehr. Der Verkehr war jetzt auch nicht mehr so chaotisch, sondern eher flüssig. Ich konnte komplett abschalten und entspannen. 

 

Wir hielten schließlich an der Stelle vor dem Kolosseum, an der wir uns vor zwei Tagen kennen gelernt hatten. Dort saßen wir und redeten und lachten ... stundenlang.

 

Roberto brachte mich noch nachhause. Als ich um halb 3 schließlich in der Wohnung war, wartete Alejandra schon gespannt. Sie wollte jedes Detail wissen. Nachdem ich ihr alles ausführlich erzählt hatte, fiel ich um 5 Uhr Früh hundemüde ins Bett.

 

Rom in der Nacht
Foto: Raffaela Breit

 

Was für ein schöner, toller und vergesslicher Tag in Rom!

 

 

Aja, zurück zu meinen Gründungsagen über Rom. Ich als Historikerin kann das nicht so stehen lassen. Rom wurde von dem hochentwickelten Volk der Etrusker gegründet. Die Etrusker kamen ursprünglich aus den nördlichen Teilen Italiens und drangen immer weiter nach Süden vor. Wo heute Rom ist, war das Volk der Latiner angesiedelt. Die Etrusker gaben ihr Wissen an die Latiner weiter und die beiden Völker vermischten sich. Ende des 7. Jahrhunderts wurde Rom gegründet. Der Name stammt aus einem Adelsgeschlecht der Etrusker namens Rumela.